Städte wie New York, London, Berlin oder Paris wollen haben, was Kopenhagen oder Amsterdam bereits hat: Weniger motorisierten Verkehr. Damit das klappt, werden die Prioritäten auf den Straßen neu verteilt. Die Stadt Wien möchte bis 2030 den Anteil an Autofahrer halbieren - zu Gunsten von öffentlichem Verkehr und Fahrrad. Ein ehrgeiziges, aber auch notwendiges Ziel, besonders im Hinblick auf die wachsende Bevölkerungsanzahl der Stadt. Doch es passiert zu wenig.
Ein schleichender Wandel im Gange
Weltweit haben viele Metropolen erkannt, dass die vorherschende Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) enden wollend ist. So ist in den letzten Wochen vor allem Paris mit der Umwandlung einer Schnellstraße in eine Freizeitanlage aufgefallen. Es ist aber nicht nur die französische Hauptstradt, auch aus London, Rom oder gar aus den autoaffinen USA erreichen uns derartige Meldungen.
Es ist aber auch ein Wandel in den Köpfen der Menschen. Auch bei uns hat der Umbruch bereits begonnen: Immer weniger machen überhaupt noch den Führerschein, sind also nicht einmal berechtigt ein Kfz zu Lenken bzw. eines auszuborgen.
Verschlafenes Wien
In Wien wird immer noch viel zu wenig in Radinfrastruktur investiert. Bei meinem Lokalaugenschein letztes Jahr "Radfahren in Wien, ein Hindernisparcour" bin ich bereits näher darauf eingegangen.
Die Wiener Stadtregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, den Autoverkehr zu senken und im Gegenzug dafür den öffentlichen Verkehr und Fahrradanteil zu steigern. Es gibt zwar Verbesserungen, die eigens gesetzten Meilensteine (10% bis 2015,) werden wohl bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst nicht mehr erreichbar sein (derzeit je nach Berechnung 6-7%).
Entsprechende Anreize wie in Paris werden in Wien nicht geschaffen. Bestens mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist beispielsweise das innere Stadtgebiet (U1, U2, U3, U4, 1, 2, 71, D, 1A, 2A, 2B, 3A und viele Zubringerlinien aus den Bezirken). Der erste Bezirk wird jedoch immer noch von einer dreispurigen starkbefahrenen Straße wörtlich umringt.
Hier könnte die Opposition berechtigte Kritik üben, aber das genaue Gegenteil ist leider der Fall.
Vertane Chance für die Opposition
Anstatt die mangelde Reduktion des Autoverkehrs in der Stadt aufzuzeigen, bläst die Opposition ins ganz andere Horn.
So findet man von der Wiener ÖVP eine APA-Mittelung "kluge Verkehrspolitik statt rot-grüner Schikanen" mit dem Logo "Autofahrer sind auch nur Menschen". Die Forderungen dabei sind:
- Das Parkpickerl muss fairer und günstiger gemacht werden
- Kein Tempo 30 auf Hauptverkehrsrouten
- Ringstraße für alle Verkehrsteilnehmer offen halten
- U-Bahn bis an die Stadtgrenze ausbauen
- Öffis ausbauen und attraktiver machen
Die Verbesserung der Radinfrastruktur findet sich übrigens nicht im Forderungskatalog.
Aber zu meinen Anmerkungen zu den oben angeführten Punkten:
- Fair ist immer schön, billger ja eigentlich auch, wer könnte dazu schon nein sagen? Aber Autofahren bzw. das Parken billiger zu machen, wird nicht den Lenkungseffekt haben, den Anteil der Autofahrer in der Stadt zu senken.
- Sicher ein Reizthema! Aber auf der anderen Seite, warum eigentlich nicht? Das geringe Unfallrisiko, weniger Lärm und Abgase, damit kann man sich anfreunden. Ein Senkung des Tempolimits auf den Autobahnen ist außerdem nicht angedacht.
- Wie im Kapitel zuvor erwähnt ist der Wiener-Ring bestens öffentlich erreichbar - diese Forderung ist gerade im Kontext einer "klugen Verkehrspolitik" nicht nachvollziehbar.
Würde man eine Straße in einem Außenbezirk sperren, in der nur alle 15 Minuten ein Bus kommt, könnte man das nachvollziehen und es wäre tatsächlich eine Schikane.
Aber in einem Gebiet, dass österreichweit am besten öffentlich erreichbar ist, da soll es nicht gehen?
- Ja, ich glaube das will wohl jeder (Es wird wohl am Zahlungswillen scheitern)
- Auch das will jeder.
Immer wieder hört man auch von der "Wahlfreiheit der Bürger", sie sollen selbst entscheiden, welches Verkehrsmittel sie nutzen. Passend dazu finde ich das folgende Cartoon: planeo21 - Wahlfreiheit. Leider spiegelt es die Realität auch in unserer Stadt ganz gut wieder.
Resümee
Die Verkehrspolitik muss sich ändern, besonders im urbanen Raum gibt es zahlreiche Alternativen. Ich wünsche mir, dass das schneller geht und Wien sich Vorbild an anderen Städten in Europa oder der ganzen Welt nimmt.
Aber wie wird Gustav Mahler nachgesagt: Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles fünfzig Jahre später.