Ich nehme als Politik-Interessierter immer wieder gerne Stellung zu bestimmten Sachthemen. Vor einigen Jahren noch, engagierte ich mich zusätzlich sehr aktiv bei einer Jugendorganisation einer politischen Partei in Wien. Damit ist heute schon alleine aus Zeitmangel Schluss. Allerdings ist dies nicht der einzige Grund: Sachpolitik geht für mich klar vor einer Parteipolitik. Dieses "nicht einer Partei zugehören" macht einen aber auch schnell politisch vogelfrei.
Ein Manifest
Warum schreibe ich das? Noch hat der Wahlkampf nicht (voll) begonnen und noch kenne ich nicht alle Themen bzw. wurden nicht alle Parteiprogramme vorgestellt. Ein guter Zeitpunkt also, nicht als "befangen" zu gelten.
Hinderliche Klientelpolitik
In der österreichischen Politlandschaft gibt es viele kleinere und größere Parteien. Diese haben aus ihrer Entstehungsgehaschichte heraus bestimmte Wählerschichten denen Sie im Wort liegen. Beispielsweise Bauern, Katholiken, Arbeitern, Unternehmern usw.
Dies mag praktisch sein für die Bindung von Stammwählern, doch hinderlich wenn es um die Sache geht. Nicht immer ist eine Kompromisslösung die einer Klientel nicht/wenig wehtut besser als die Maximallösung. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut.
Umso mehr ärgert es mich, wenn auf die eine oder andere Partei hin gehackt wird. Nicht, weil es um die Sache geht, sondern weil die Partei eine andere Position eingenommen hat, als die Position der "eigenen" Partei.
Gerne verteidige ich dann die eine oder andere Sachposition, weil ich sie inhaltlich richtig finde, ohne dadurch ein Anhänger oder Verfechter einer Partei zu sein.
Ein Beispiel:
Ein stark polarisierendes Thema ist Verkehrspolitik. Hierzulande unterstützen vor allen "die Grünen" das Radfahren und die Bevorzugung gegenüber Autos in der Stadt. Eine Maßnahme die ich aus diversen Gründen für sinnvoll erachte. Aber ist diese Position automatisch "Grün"? Nein, zumindest nicht, wenn man über Österreichs Tellerrand hinwegblickt. Als Boris Johnson noch Bürgermeister von London war, hat dieser wesentlich stärkere Änderungen zugunsten des Radverkehrs auf Kosten der Autofahrer vorgenommen, als dies etwa hier in Wien der Fall ist. Boris Johnson ist aber kein Mitglied der Grünen, sondern ein Mitglied der britischen Conservative Party. In Wien lehnen die Stadtkonservativen derartige Änderungen zugunsten von Radfahren aber ab, wie dies erst neulich am Getreidemarkt der Fall war.
Das Beispiel zeigt also gut, dass man Sachpolitik von Parteipolitik gut trennen kann.
Verteidigt man aber beispielsweise diese Politik des Radverkehrs in Wien, wird man in Österreich einer Partei zugeordnet bzw. "erfährt" die Schwächen der Partei in anderen Sachthemen unabhängig davon, ob dies überhaupt in einem Zusammenhang steht.
Der Hintergrund liegt auf der Hand: Man möchte möglichst die "eigene" Partei als Gewinner dastehen lassen und andere mit Schmutz bewerfen.
Dirty Campaining
Wie bei jeder Wahl werden vorher Fairness Abkommen abgeschlossen oder eingefordert oder freiwilliges Verzichten auf Dirty-Campaining versprochen. Gerne verweist man auch auf seinen neuen Stil. Nichts Neues also.
Die Praxis sieht dann aber oft anders aus: So halten sich dann die jeweiligen Spitzenpolitiker gerne aus der Schlammschlacht raus, sie überlassen diese aber den Parteigeneralsekretären oder noch einfacher den niedrigen Funktionären im Internet oder auf offener Straße.
Freilich: Die jeweiligen Spitzenpolitiker haben sich an der Schmutzkübelkampange nicht beteiligt. Und auf die Aussagen der niedrigen Funktionäre oder Anhänger hätte man ja keinen Einfluss. Im Ernstfall distanziert man sich eben einfach von den Personen oder deren Aussagen. Problem gelöst scheinbar.
Am Endergebnis hat das allerdings nichts geändert. Dirty Campaining bleibt es.
Ich weiß, wer du bist!
Politische Debatten laufen oft ähnlich ab, gerne versucht man anhand von einigen Schlagworten das Gegenüber politisch einzuordnen bzw. deklariert sich selbst als Anhänger einer Fraktion.
Was danach kommt ist eigentlich immer gleich: Statt der "Sache" steht dann eigentlich mehr die "Partei" die für bzw. gegen die jeweilige Sache ist, sofort im Vordergrund.
Es nervt. Es nervt gewaltig. Ich wurde schon als Anhänger vieler Fraktionen eingestuft und dabei fehlt dem jeweiligen aber das Gesamtbild.
Es ist nichts Verwerfliches sich politisch bei einer Partei zu engagieren, im Gegenteil: Wenn man sich mit den Wertvorstellungen einer Partei identifiziert, ist das großartig.
Für mich gibt es diese Partei aber leider nicht. Daher übernehme ich gerne Positionen von unterschiedlichen Parteien ohne mich der Partei zugehörig zu fühlen. Das macht einem aber auch angreifbar von allen Seiten und eben auch politisch vogelfrei.
Diese Vogelfreiheit bzw. Angreifbarkeit aus allen Richtungen nervt zwar wie gesagt, aber sie ist mir lieber, als mich ein enges Parteikorsett zwängen zu müssen, dass an vielen Stellen drückt.